Weltmarktführer Erfurt

„Nachhaltigkeit liegt in unserer Firmen-DNA"

Westdeutsche Zeitung, 21.10.2023

Ein Apotheker hat sie erfunden, sie ist in vielen Wohnungen und Büros allgegenwärtig, ihre Anschaffungskosten sind gering, sie ist robust und leicht zu verarbeiten und zudem  nachhaltig mit Blick auf Umwelt und Klima: Die Rauhfasertapete schreibt man bei der Firma Erfurt & Sohn bewusst mit h mit Blick auf die Historie. Dieses beliebte Produkt ist aber nicht das einzige, mit dem das Unternehmen in Beyenburg das Marktgeschehen mitbestimmt. Der Weltmarktführer für nachhaltige überstreichbare Tapeten versteht sich auch auf die Herstellung von Fototapeten sowie verschiedener Vliesprodukte für die Raumgestaltung und fertigt zudem Spezialpapiere insbesondere für die industrielle Nutzung an. Nicht nur das Alleinstellungsmerkmal, Produkte aus Papier und Vliese aus 100 Prozent recycelten Fasern herzustellen, zeichnet Erfurt aus. Auch die Maschine, ein  sogenannter Pulper, der dabei zum Einsatz kommt, gibt es in dieser Form nur in Wuppertal, wie Felicitas Erfurt-Gordon erzählt. Sie führt das Familienunternehmen, das 1827 gegründet wurde, als nunmehr achte Generation gemeinsam mit ihrem Vater Martin Erfurt und ihrem Großonkel Henrik Erfurt. Der Begriff Nachhaltigkeit dürfte vor rund 200 Jahren allgemein zwar noch nicht so hoch im Kurs gestanden haben, wie es heute der Fall ist. Aber er ist von seiner Bedeutung her einunabdingbarer Bestandteil der Firmengeschichte und etwas, das der 33-jährigen Unternehmerin sehr wichtig ist. „Unser Fokus liegt seit Gründung des Unternehmens auf einem nachhaltigen Umgang mit unserem Standort und den gebrauchten Ressourcen. Das liegt also schon in der DNA unseres Unternehmens“, sagt sie. Bereits 1864 hat ihr Ur-Ur-Ur-Großvater Hugo Erfurt die Rauhfaser erfunden.
„Sie ist bis jetzt die nachhaltigste Tapete, sowohl durch die Rohstoffe als dadurch, dass bei ihrer Produktion nur geringe Emissionen im Vergleich zu anderen Tapetenarten entstehen“, weiß die Firmenchefin. Ihr ist die Umsetzung einer Nachhaltigkeitsstrategie ein besonderes Anliegen: „Diese Strategie umfasst bei uns die Bereiche Klima,  Ressourcenschutz und soziale Nachhaltigkeit.“ Das klingt erst einmal abstrakt, es geht aber auch konkreter, denn sie erklärt: „Dieses Jahr wurde in einen neuen Pulper zur  optimalen Auflösung von Recyclingpapier investiert. Dadurch kann auch Ausschuss eingesetzt werden und es werden Ressourcen geschont.“ 

Wuppertaler Weltmarktführer

Außer der stetigen  Weiterentwicklung dieser Maschine ist zum Beispiel auch eine spezielle Presse zum Trocknen des Papiers in der Entwicklung, die 2025 eingebaut werden soll, wie Felicitas Erfurt-Gordon berichtet. Die Nutzung gebrauchter Ressourcen bedeutet aber nicht, dass bei dem Recycling Qualität keine Rolle spiele. „Wir verwenden nur hochwertiges Altpapier“, so die Unternehmerin. Sie nennt etwa Randabschnitte aus der industriellen Papiernutzung und gewerbliche Büroabschnitte, was als Material in Beyenburg verwendet wird und nicht verunreinigt sein darf. Alte Pizzakartons oder ähnliches kommen dafür also nicht in Frage. Es werden auch keine Aufheller benutzt, wie die Unternehmerin betont. Fremdstoffe im Altpapier wie Büroklammern werden bei der Aufbereitung entfernt. Wenn man bedenkt, dass längst nicht überall auf der Welt tapeziert wird, um Innenräume je nach Geschmack und Nutzen zu gestalten, ist die Palette der Länder, in denen Produkte von Erfurt genutzt werden, doch beeindruckend und umfangreich. Die Kernkundschaft sitzt sicherlich in Westeuropa, doch auch in osteuropäischen Ländern wie Polen, Ungarn und Tschechien sowie der Slowakei,auf dem Balkan in Kroatien, Rumänien, Serbien und Slowenien, in Asien mit Ländern wie China und Japan, aber auch in Aserbaidschan, Georgien, Kirgistan, der Mongolei und sogar Argentinien in Südamerika ist Erfurt vertriebstechnisch vertreten. Russland wäre von der Nachfrage her auch dabei, wird aber von den Wuppertalern seit 2022 nicht beliefert. Auch beim Standort wird die nachhaltige Verwurzelung des Unternehmens wieder deutlich.
Erfurt ist ihm seit fast 200 Jahren treugeblieben. In den Jahren nach der Gründung spielten auch die Produktionsbedingungen für die Herstellung von handgeschöpftem Papier im Bergischen Land eine wichtige Rolle: die hohe Luftfeuchtigkeit, der geringe Staubgehalt der Luft, das weiche Wasser. „Wir stellen uns breit auf und sind auch  Spezialpapierhersteller“, sagt Felicitas Erfurt-Gordon mit Blick auf die Zukunft. Gemeinsam mit der Firma Sachsenröder wurde ein Vulkanfiberbasispapier entwickelt, das etwa zur Fertigung von flexiblen Schleifscheiben verwendet werden kann. „So sind zwei Weltmarktführer aus Wuppertal mit gemeinsamen Entwicklungen erfolgreich“, freut sich Felicitas Erfurt-Gordon.

 

 

Mit Felicitas Erfurt-Gordon ist die nunmehr achte Generation angetreten, um das Familienunternehmen Erfurt & Sohn in Beyenburg in die Zukunft zu führen. Foto: Taro Kataoka

Ausschnitt der Westdeutschen Zeitung für den Teil "Bergische Wirtschaft"

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